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Wundliegen führt zur Operation

Herr S. muss sich wegen einer psychischen Erkrankung in einem Psychiatriezentrum behandeln lassen. Beim Eintritt leidet er an einer Nieren- und einer Herzkrankheit, und er hat einen Diabetes der mit Insulin behandelt werden muss. Herr S. hat beim Eintritt ins Zentrum bereits Spätfolgen, und es besteht der Verdacht einer chronischen Bronchitis. Den Ärztinnen und Ärzten ist der Gesundheitszustand von Herrn S. bekannt. Sie stellen ihm die Medikamente neu ein.
Herr S. wird zudem wegen Schlafstörungen, zu hohem Zuckerwert im Blut (Hypoglykämien), Gelenksschmerzen und Antriebslosigkeit behandelt. Deswegen verbringt er während der Umstellung auf die neuen Medikamente viel Zeit im Bett. Seine Angehörigen besuchen ihn in dieser Zeit oft, unterstützen ihn, und es gelingt ihnen, ihn immer wieder zu kürzeren Spaziergängen zu motivieren.

Dekubitus zeigt erst Anzeichen
Nach ein paar Tagen stellt eine Pflegefachperson erstmals Rötungen an Gesäss und Fersen von Herrn S. fest, dokumentiert dies im Patientendossier und hält fest, dass die Rötung täglich kontrolliert werden soll. Die Angehörigen werden jedoch nicht informiert. Herr S. bekommt ein Lagerungskissen. In den folgenden Tagen werden die Rötungen nicht mehr dokumentiert, auch ist unklar, ob das Lagerungskissen überhaupt je eingebettet worden ist und ob Herr S. wusste, wofür das Kissen sein sollte.
Eine Woche später hustet Herr S. vermehrt, wird zunehmend apathisch und beginnt sogar einzunässen. Zudem ist bereits seit seinem Eintritt die Verdachtsdiagnose einer chronischen Bronchitis bekannt. Doch selbst zu diesem Zeitpunkt stellt das Betreuungsteam keinen Zusammenhang zwischen dem objektiven Befinden von Herrn S. und seiner chronischen Bronchitis her und obwohl er zudem als Spätfolge seines Diabetes an einer Durchblutungsstörung leidet, erkennt es auch das Risiko eines Dekubitus (Wundliegen) nicht.  Wiederum drei Wochen später muss Herr S. mit einem Dekubitus am Gesäss in der Länge von 10 cm und der Breite von 3.5 cm, mit Blasen, blau verfärbter Hautveränderung und mit Verdacht auf einen Weichteilinfekt, sowie mit offenen Stellen an beiden Fersen in ein Zentrumspital verlegt werden. Zudem zeigt er bei der Verlegung ins Spital Symptome einer Lungenentzündung und er leidet an einem Harnwegsinfekt.
Bevor Herr S. wegen dem Dekubitus am Gesäss und an den Fersen operiert werden kann, müssen folglich zuerst die Entzündungen behandelt werden.  

Der Dekubitus ist ein Behandlungsfehler  
Der Dekubitus ist vor dem Hintergrund der bekannten Risiken ein Behandlungsfehler (Sorgfaltspflichtverletzung), für den das Psychiatriezentrum unseres Erachtens schadenersatzpflichtig ist. Wir gelangen deshalb mit der Haftungsbegründung an die Verantwortlichen des Psychiatriezentrums. Diese wiederum versuchen, die Verantwortung auf die Angehörigen abzuschieben, mit der Begründung, diese seien sehr oft anwesend gewesen und hätten Herrn S. regelmässig bei der Körperpflege unterstützt. Sie hätten deshalb die Druckstellen sehen müssen. Zudem habe der Patient nie Schmerzen bekundet. Dies liegt wohl daran, dass Herr S. laut den nachbehandelnden Ärzten infolge des Diabetes an einer Erkrankung des peripheren Nervensystems (Polyneuropathie) leidet, welche das Schmerzempfinden verändert, so dass er die Druckstellen nicht als schmerzhaft empfunden hat und sie auch nicht spürt.
Aussergerichtliche Einigung für eine Genugtuung Die Schuldzuweisung an die Angehörigen und damit die Abwälzung der Verantwortung ist absurd. Selbstverständlich haben wir sie vehement zurückgewiesen. Schlussendlich haben wir eine aussergerichtliche Einigung erreicht. Weil Herr S. glücklicherweise keinen bleibenden Gesundheitsschaden davon getragen hat, konnten wir uns auf einen Vergleich einigen. Herr S. hat eine angemessene Genugtuung erhalten.

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